Dienstag, 5. Februar 2008

Die letzten Tage

So langsam ist es fast schon wieder vorbei. Moment, werden manche denken - du fliegst doch erst irgendwann Mitte März. Richtig. Ich muss präzisieren - heute am letzten Tag des Jahres des Schweines, oder am Vortag eines 4-Wochenendes, das uns hier durch den Beginn des Jahres der Ratte zuteil wird (irgendwie muss man ja den Karnevalkrams ersetzen) gehe ich nochmal ins Krankenhaus zum Arbeiten. Die nächste Woche wird sich, jedenfalls habe ich bis jetzt noch nichts anderweitiges gehört, über die normalen fünf Tage erstrecken, mit einem finalen Auftritt in der Rettungstelle am 15. Februar.
Im Anschluss haben wir den Nationalstolz der Malaysier bei den Ohren gepackt und schauen uns das Land auch wirklich nochmal gründlich an, für etwa vier Wochen. Schon etwas komisch, aber ich bin mit diesem Weiterbewegen auch nicht am Hadern. Ich fühle mich wohl hier und würde noch länger bleiben, aber ich bin auch im Hinblick auf die Anstrengungen, die mir in diesem Jahr noch widerfahren werden auch nicht unglücklich wieder in Berlin Residenz zu nehmen. Es ist einfach so, dass wenn ich mein Medizinstudium abschließen möchte (habe ich "mein" geschrieben? Etwas besitzergreifend von mir - wir kennen uns doch erst seit sechs Jahren), ich nach Deutschland zurückkehren muss. Langsam dreht sich das Rad, so wie es sich immer schon gedreht hat.
Leider, leider können wir das CNY (Chinese New Year) nicht mit Dr. Margaret bei ihrer Familie verbringen - es gibt familiäre Gründe, die sie immer wieder in der Geste der Entschuldigung vorgebracht hat. Wir werden also versuchen in Tempeln und auf der Straße unseren Teil des Spektakels abzubekommen. Traditionell fahren alle Chinesen, die es sich leisten können, oder nicht gerade arbeiten müssen über diese Tage zu der Familie, wo man ein Family Reunion Dinner hält und u.a. Yee Sang ist. Das ist ein Essen, welches wir vermutlich als "Salat" bezeichnen würden. Dabei wird in die Mitte des Tisches ein großer Teller gestellt, auf dem segmentweise, unterschiedliche Zutaten getrennt angerichtet sind (meist marinierter Inger, knusprige Teigstückhen, knusprige bunte Nudeln, etwas Qualle und anderes). Darüber wird dann etwas Öl, Pflaumensoße und roher Lachs in kleinen Stückchen gegossen, bevor alle um den Tisch Sitzenden stäbchenbewehrt den Salat von allen Seiten gleichzeitig zu mischen beginnen. Dabei wird demjenigen, der den Salat mit seinen Stäbchen am höchsten mischt das meiste Glück zu teil.
Apropos Glück - wenn ich sage Glück meine ich eigentlich so was wie Wohlstand, Geld, Profit. Es ist so, dass in Vorbereitung auf dieses Fest jedes Haus, jeder Laden, jedes Restaurant und jede Bar mit roten Spruchbändern, oder generell Dekorationen in rot-gold gehalten vollgekleistert wird. Zentral, und in englischen, wie in chinesischen Lettern zu lesen ist "Gong Xi Fa Cai" - was einfach sinngemäß mit "Happy New Year" übersetzt wird, aber den durch und durch in Hoffnung auf Wohlstand, Glück und langes Leben geprägten Geist des CNY nicht wirklich wiedergibt. Eigentlich heißt dieser Ausspruch so etwas wie "Möge Wohlstand zu Dir kommen" (恭喜发财). Es gibt im chinesischen Kulturkreis, den wir hier zwar nur etwas ausländisch mitbekommen ein unglaubliche Vielzahl von kleinen Regeln und Gebräuche, die gutes bzw. schlechtes Glück bringen. So wird zum Beispiel, und nicht ganz unnachvollziehbar vor CNY der Hausaltar und überhaupt das ganze Haus geputzt, außerdem ist es wichtig das neue Jahr mit ganz und gar neuen Kleidern zu beginnen (ungetragen) - was allerdings auch nicht so einfach ist, weil zum Beispiel der Kauf von "shoes" (also ein paar Schuhe) nicht gerne vollzogen wird, weil das englische Wort einem chinesischen für "böse" oder "Unglück" (oder so) sehr ähnlich ist. Ich glaube ich werde mich nicht komplett neu einkleiden heute, wobei ich aber bei Unterhosen mit Ratten drauf natürlich sofort schwach werden würde (die Zeitung berichtete über dieses anscheinend sehr begehrte Accessoir).

Vor dem Hintergrund dieses eigentlich recht freundlich-kapitalistischen Grundwesens der CNY und der damit auch zum Ausdruck kommenden Grundeinstellung dem Leben gegenüber denke ich anders über die Möglichkeit von Kommunismus in China nach - gelinde gesagt scheint die chinesische Kultur und der Kommunismus völlig unkompatibel zu sein, oder anders ausgedrückt, den einzelnen Menschen, die in China leben wird eine Verleugnung dessen was sie aus der Ahnen Hand weitergegeben bekommen aufgedrängt - und die Verehrung und der Respekt vor den Ahnen ist für die chinesische Kultur (und ich spreche hier aus fragmentarischen Erfahrungen und nicht als studierter Sinologe) von eminenter Bedeutung.

Ratte, Schwein - man hat vermutlich schon mal von den chinesischen Tierkreiszeichen gehört, aber wie genau und so.... Tief eingedrungen bin ich auch nicht aber es funktioniert ungefähr folgendermaßen - Buddha hat alle Tiere des Universums zum Neujahrsfest zu sich eingeladen, aber nur zwölf (oder vermutlich dreizehn) sind erschienen. Um sie zu belohnen wurde beschlossen, dass jedes dieser Tiere für ein Jahr das Schicksal der Welt beeinflussen dürfe. Dann die schwierige Frage der Reihenfolge der Tiere. Zum Behufe der Festlegung derselben wurde von den Göttern eine Aufgabe gestellt: die Überquerung eines Flusses. Der Wasserbüffel und die Katze hatten Sorge ob sie die Aufgabe meistern können würden (wegen je Blindheit/Angst vor dem Wasser). Die Ratte schlägt also - als angriffslustig, clever, hartnäckig etc. - vor, dass sie und die Katze auf den Ochsen steigen und dem Arbeitstier den Weg über den Fluss weisen. Zwischendrin wirft die Ratte die Katze noch von der tierischen Fähre - weswegen die Katze nicht im Tierkreis vorkommt und bis heute Ratten/Mäuse frisst - und springt, kaum ist der Ochse fast an Land selber durch die Ziellinie. Deswegen kommt zuerst die Ratte, dann der Ochse, etc.
Die Geschichte gibts aber auch anders - wie überhaupt die ganze chinesische Metaphysik sehr auf weltliches Wohlergehen ausgelegt und dementsprechend anpassbar ist (siehe auch die Erläuterungen zu Feng Shui aus Penang).

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