Donnerstag, 7. Februar 2008

Die Betelnussinsel (Pulau Pinang)

oder im Volksmund auch gerne mal "Pänäng", wobei ich mich als Deutscher, der ja die Vokale, anders als die Anglosachsen, auch offen und gerade ausprechen kann, standhaft weigere oben ausgeschriebener Transliteration meinen Mund zu leihen - also Pulau Pinang, oder eben Penang, die heute eigentlich gebräuchliche Schreibweise.

Der KL City Day am Freitag hat uns das nötige 3-Tage-Wochenende beschert und so brachen wir also in Wellen zu dieser, etwa zwei Stunden südlich der thailändischen Grenze gelegenen, britischen Ex-Kolonialinsel auf. Olaf, Adel und ich erstritten uns schon Donnerstag nachmittag einen Bus an der Puturaya Bus Station, und waren kurz nach Mitternacht eingecheckt. Auf dem Weg fährt man stundenlang durch Palmölplantagen und vorbei an durchaus substantiellen Bergmassiven, wie z.B. die hauptsächlich für den Teeanbau bekannten Cameron Highlands.

[Sehr kleiner Exkurs: Maxwell, Frasier und Cameron alles Namen von heutigen "Highlands" in Malaysia. Als ich kürzlich mit Dr. Sia mich, in seinem direkt vor dem Regenwald gelegenen Pool, unterhalten habe, erläuterte er mir die Namensgebung seiner Condo-Towers. So wohnt er in den Cameron Towers, diese flankiert von den anderen beiden. Er erklärte mir dann, dass die Highlands hier öfter mal nach Briten benannt sind - weil, man hätte drauf kommen können, die schwitzenden, vermutlich rot-beuniformten, schnurrbarttragenden Briten sich mit Vorliebe in die einige Grad kühleren Hochgefilde zurückgezogen haben um "oh dear it is awfully hot in this place, isn't it darling?" ganz viel Schwarztee zu trinken...]

Es gibt zwei Möglichkeiten die Insel zu betreten, zum einen über die Brücke, zum anderen durch Umsteigen in "Butterworth" (sic!) und kurze Fährfahrt direkt nach Georgetown. Im Bus wurden wir auf dem Weg von einer durchaus asiatisch anmutenden und von einer chinesischen Tante begleiteten jungen Frau in ziemlich gutem Englisch angesprochen. Das Übliche. Sie erwies sich als Einheimische, gerade aber für 2-3 Jahre in Michigan einen höheren Abschluss verfolgende Person, die zu unserem Leidwesen einer gewissen "amerikanischen" Affiziertheit ("oh myyy gaaaawwwd") in ihrem Charakter deutlich Raum gegeben hatte. So, dass wir uns auf der falschen Seite eines Fragensturms wiederfanden, der unterbrochen von ungläubigen "oh my gawds" unserer, durch das Gerüttel immer apathischeren Verfassung gar nicht zuträglich war. Irgendwann kurz nach dem Verlassen der Fähre sind wir sie dann losgeworden (oh my gawd!) und nunmehr in gewohnt euro-russischer Bräsigkeit durch die nächtlichen Gassen in der vermuteten Richtung des Zentrums aufzubrechen.

Die Insel selbst ist fest in chinesischer Hand, einiger Inder sind auch zu finden, nur Malayen sieht man recht selten - man hätte also auch gut und gerne für das Chinese New Year dort bleiben können, auch dort wurden die großen Tempel mit einer Vielzahl von roten Lampions ausgeschmückt und vermutlich wäre alles etwas wilder abgelaufen, als hier in KL erlebt. Wir erlebten dementsprechend zumindest die finalen, freudigen Vorbereitungen auf das Fest. So mussten wir irgendwann um halb drei nachts der Barbesitzerin helfen die Spruchbänder rechts und links von der Tür in gleicher Höhe zu platzieren. Im Anschluss übersetzte sie uns gerne einige der, meist nur aus 4-6 Lettern bestehenden Spruchbänder, wie schon erwähnt geht es eigentlich immer um Wohlstand (und ein bißchen Glück und Langlebigkeit).

Wenn man sich in der Architektur umsieht findet man eine hauptsächlich durch chinesisch-britische Einflüsse geprägten Bautenlandschaft wieder, denn obgleich auch alte (etwa 200 Jahre) Moscheen und Hindutempel zu finden sind, dominiert doch die alte viktorianische Bausubstanz, die von den Chinesen übernommen und überbaut, bzw. integriert wurde. Ein sehr interessantes Beispiel dieser Fusion ist die mit einem UNESCO-Preis für sachgerechte Restaurierung ausgezeichnete Cheong Fatt Tze Mansion. Der im 19. Jahrhundert in China geborene Namensgeber dieses Baus ist mit 16 Jahren von zu Hause abgehauen und hat in Batavia (heute Jakarta) begonnen im Handel mit den Kolonialmächten (dort zunächst die Niederländer) einen sagenhaften Reichtum anzuhäufen - man nannte in zu Hochzeiten den "Rockefeller des Ostens". Jedenfalls musste er um gut arbeiten zu können sich an allen Geschäftsstandorten ein Haus bauen (im Übrigen war jedes dieser Häuser mit einer eigenen Ehefrau eingerichtet, so dass er auch während seines rastlosen Lebens 7 oder 8 Frauen im Wechsel gehabt hat). Aus irgendwelchen Gründen beschloss er auf Penang seinen Haupt-, Luxus- und Prachtswohnsitz zu errichten (natürlich würde hier auch die Lieblingsfrau eingeräumt werden) und er erspähte am Rande der Insel, mitten im damaligen Sumpf ein großes Lotusfeld. Er war wehrlos, soviel verheißungsvolle Metaphysik (Exzerpt aus Wikipedia "Aufgrund ihrer Lautgleichheit werden die Wörter Liebe und harmonische eheliche Verbundenheit mit dem Lotos in Verbindung gebracht; die Lotosblüte ist deshalb auch Sinnbild einer guten Ehe. Speziell die rote Lotosblüte gilt als Symbol für die Vagina. Im Buddhismus zählt der Lotos zu den acht Kostbarkeiten und ist Symbol für den Lauf der Zeiten (mit den Einzelphasen Frucht, Blüte und Stängel) und für die Wirkung der Lehre Buddhas (die Wurzeln sind im Schlamm, auf der Oberfläche erblüht jedoch der Lotos). Im Daoismus ist der Lotos Attribut des daoistischen Unsterblichen He Xiangu.") - Harmonie, Reinheit, Erleuchtung, Sex und Unsterblichkeit - musste durch einen Prachtbau angezapft werden.

Und er baute. Die kleine, uns ständig zum mitmachen auffordernde Leiterin der Tour erklärt uns etwas zu den Prinzipien des Feng Shui, die bei der Errichtung des Hauses eine wichtige Rolle spielten. Ich paraphrasiere das mal, weil's eigentlich ganz lustig ist. Feng Shui (oder Wind und Wasser) ist, so erklärte uns die Frau sei eine alte Lehrer vom guten Leben des Menschen im Zusammenhang und Kontakt mit der ihm umgebenden Natur. Dabei spielt zum einen die Idee von Yin und Yang (allgemein dichtotome Gegensätze benennend, also z.B. Ruhe und Aktivität), von fünf Elementen (Erde, Holz, Wind, Wasser und Metall), sowie von Energieflüssen, die die Erde durchziehen eine Rollen.
Man sollte also versuchen ein Haus zu ersinnen, was die Chi-Kräfte nicht an irgendeiner Ecke anstaut, oder gar nicht erst reinlässt, deswegen sollte man solch eine Wohnstatt z.B. auf einem Hügel bauen (genau wie die Friedhöfe). Und dann gehts aber schon los: Wie oben erwähnt lag der auserkorenen Ort für dieses Haus im Sumpf (obgleich ein lotusverzierter Sumpf), traditionell kein sehr bergiges Gelände. Um aber trotzdem an dieser Stelle (die vermutlich auch noch billig zu erstehen war, weil sie zuerst in bebaubares Land umgetrocknet werden musste) bauen zu können, ersann man einfach eine Gestaltung, die den Berg durch mehrere, durch Stufen nach hinten immer höher ansteigende Treppchen ersetzte. Anders ausgedrückt: Wenn es keinen Berg gibt so macht man sich eben einen.
Da in einem nach den Regeln des Feng Shui gebauten Haus möglichst alle oben genannten Elemente freien Eintritt haben sollten, gibt es in vielen solchen Häusern einen kleinen unüberdachten Hinterhof (ob die Römer mit ihren Atrien auch schon Feng Shui kannten). Dort kann zum einen der wichtige, Bewegung und Entwicklung symbolisierende Wind in das Haus kommen (außerdem macht er die Hitze auch noch erträglich). Zum anderen kann es ungehindert reinregnen - und Regen, zumindest regen, der gerade von oben fällt, symbolisiert Wohlstand. Dabei gilt: Je größer die Wassermasse, desto größer der Wohlstand. Um dabei die auf das Dach niedergehende Wassermenge nicht zu verschwenden (Milliliter sind Geld!) wurde ein, einer mäandernden Fußbodenheizung nicht unähnliches Röhrensystem erdacht, was sich aus den Regenrinnen gespeist (die die Wände wie Adern durchziehen) in komplizierten Wenden unter dem Atrium mehrfach um sich selbst dreht, bevor es dann irgendwann aus dem Haus geleitet wird. Es ist hier natürlich auch wichtig keinen Stau zu erlauben, das Wasser muss reichlich eindringen können, muss aber im Fluss bleiben. Angenommen man lebte in einer unsanierten Berliner Altbauwohnung, eine dem mehrstöckigen Eigenheim mit Atrium doch deutlich entrückte Wohnform, so kann solches Wasser aber auch einfach durch ein Bild von Letzerem ersetzt werden. Es geht, so betonte sie immer wieder nicht darum das Leben zu verkomplizieren - oder andersherum: Jede Wohnregel, die das Leben anstrengend macht ist schlechtes Feng Shui.
Die restlichen Elemente fanden sich denn auch mit einer Prise Salz genommen im Hinterhof wieder, namentlich die Erde unter den Granitplatten am Boden, das Metall in den aus Schottland importierten viktorianisch-gusseisernen Säulen, das Feuer in den Glühbirnen (!) und das Holz in den mächtigen, den schottischen Säulen aufliegenden, und das zweite Geschoss tragenden Querbalken. Obwohl - weil das obere Geschoss für Holzbalken zu schwer gewesen wäre, musste auch hier Metall verbaut werden, was aber das Gleichgewicht der Elemente zu sehr auf die Seite des Metalls verschoben hätte, so dass diese Träger rasch mit Gips überzogen und in Holzmaserung angemalt wurden.
Feng Shui ist eigentlich ganz einfach.
Ansonsten bleibt noch zu erwähnen die wirklich imposante chinesische Cut&Paste Technik. Es wurden zur sachgerechten Restauration (nach 1990) zehntausende kleiner einfarbiger Teeschälchen aus China importiert. Diese werden dann in passende Scherbchen zerbrochen und aus diesen werden, dem klassischen Mosaik nicht unähnlich, aber durch die Rundung der Schälchen in die dritte Dimension gerundete Fresken, Verzierungen und Bilder an die Wand und aufs Dach gezaubert.
In einem reizenden indischen Supermarkt bin ich neben Currygewürzmischungen (werde ich zu Hause mal zur Anwendung bringen) auch auf "Cow Urine" gestoßen. Ob zu inneren oder äußeren Anwendung konnte ich nicht eruieren.
Das Rathaus - offensichtlich hatten die Briten ihre Finger im Spiel.
Die Hafenmauer in Georgetown, mit Blick nach Westen Richtung Batu Ferrenghi.
Die um 1801 erbaute Masjid Kapitan Keling, von den ersten indisch-muslimischen Einwanderern (Truppen der East India Trading company) erbaut. 
Von links Olaf, David, Andrea und Adel im "Pitt Street Corner" - hier gab es neben indischen Männern beim indisch/chinesischen Rummy spielen auch tolle Bollywoodfilme zu sehen.
Wir unterwegs im Nationalpark zum Monkey Beach beim Fotografieren.
Natürlich wäre ein verlassener, wunderschöner, vom Dschungel umstandener und mit Affen bestückter Sandstrand ohne gekühlte Kokosnüsse nur halb so schön. Letztere stellten sich auch als Hauptangriffspunkt der Affenhorde heraus, die sie uns einfach wegnahmen.
Süßwasserbaden. Es waren wundervolle gänzlich gelbe und blaue Vögel (z.T. vermutlich Eisvögel) zu beobachten.
Affe beim Strandgalopp.
Und zack - weg die Nuss.
Aug' in Auge mit dem Säugetier. Wenn man den Viechern zu nahe kam bekam man gerne auch mal die Zähne in einer Mimik präsentiert, die nicht freundliches Lächeln darstellte - wir haben uns dann doch mal ein paar Stöcke zugelegt um für den Fall der Fälle zurückschlagen zu können. 
Der Monkey-Beach.
Ein Drache am Yah Kongsi.
Das Khoo Kongsi. Kongsi bedeutet Clanhaus und ist ein Treffpunkt und Gebetsraum für alle Verwandten einer Familie aus einer bestimmten Gegend in China - dieser von der Khoo Familie, der obige von der Yah Familie. Ersteres wurde Anfang des 20. Jahrhunderts fertiggestellt um dann am Neujahrstag abzubrennen. Dieses an Prophetik kaum zu überbietende Geschehen wurde als Unwille mit der Pracht des Gebäudes gedeutet und der zweite Bau wurde, wie im Foto zu erkennen ist als kleine einfache Hütte gestaltet. Gegenüber die älteste permanente Bühne für traditionelle chinesische Oper - im gleichen Stil gehalten.
Die Wandmalerei eines der sieben oder acht die Erleuchtung erlangt habenden Männer - Nase popeln kann man auch erleuchtet.
Die von den Engländern freundlicherweise eingerichtete Bahn auf den Penang Hill (800+ Meter), machte den Aufstieg in die Kühle des Gipfels sehr viel angenehmer.
Georgetown bei Tag.
Ich höre bald auf Affen zu fotografieren - oder zumindest die Fotos hier reinzustellen. Dieser hat den Mülleimer ausgeräumt.
Die Vishnufamilie (auf dem Penang Hill finden sich sowohl eine Moschee als auch ein hinduistischer Tempel). In der Mitte Vishnu und seine Frau Lakshmi, links am Rüssel zu erkennen Ganesha, rechts den von den Batu Caves bekannten Lord Muruga.

Georgetown bei Nacht.

In der Cheong Fatt Tze Mansion durfte man leider keine Fotos machen, sodass obige Beschreibung und folgender Link genügen muss: www.cheongfatttzemansion.com

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